Worum geht es?
Insgesamt fährt die Agrarwirtschaft seit Jahren Rekordgewinne ein – allein im Wirtschaftsjahr 2022/2023 haben Landwirtinnen trotz steigender Kosten in allen Betriebsformen Spitzengewinne erzielt. Das Problem ist also nicht, dass die Landwirtschaft generell nicht profitabel ist, sondern dass nicht alle Landwirtinnen gleichermaßen oder gerecht von den staatlichen Förderungen profitieren. Dies hat auch dazu geführt. dass die Ziele zum Schutz der Umwelt bei weitem nicht erreicht wurden, obwohl gerade die Landwirtschaft, die mehr als 50 Prozent der Landesfläche in Deutschland landwirtschaftlich betreibt, einen großen Einfluss auf unsere Böden, unser Wasser und Luft hat.
Dies liegt vor allem daran, dass die Landwirtschaft seit Jahrzehnten falsch subventioniert wird – statt nach Leistung, zum Beispiel in Form von Beiträgen zur biologischen Vielfalt, Tierwohl, Ansäen alter Getreideformen etc. zu belohnen, wird allein die Fläche subventioniert. Damit werden große Eigentümer*innen besser gestellt als die Vielzahl an kleinen Betrieben, die zum Teil auch nur pachten und von den Subventionen so gut wie gar nichts sehen.
Diese Fehlanreize möchte die neue Gemeinsame Agrarpolitik (kurz GAP) als Teil des Green New Deal auf europäischer Ebene ändern – dafür haben tolle Politiker*innen wie Delara Burkhart oder Maria Noichl in den letzten Jahren gegen die massiven Widerstände der Union gekämpft. Mit der GAP sollen kleinere landwirtschaftliche Betriebe gezielter unterstützt, der Beitrag der Landwirtschaft zu den Umwelt- und Klimazielen der EU gestärkt und den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität zur Anpassung der Maßnahmen an die lokalen Gegebenheiten eingeräumt werden. Das bedeutet: Gezieltere Interventionen in Form von Direktzahlungen und Interventionen zur Entwicklung des ländlichen Raums, die beide einer strategischen Planung unterliegen. Also ein leistungsbasierter Ansatz, bei dem die Mitgliedstaaten die von ihnen erzielten Ergebnisse jedes Jahr melden müssen. Und das gefällt der Union gar nicht, weil auch die Bundesländer nun in der Pflicht sind, ihre Hausaufgaben im Bereich Umweltschutz und Landwirtschaft zu erledigen und Geld in die Hand zu nehmen. So haben CSU und Freie Wähler im letzten Umweltausschuss im Bayerischen Landtag massiv gegen die GAP gewettert.
Warum die Proteste?
Dank der Union musste der Haushalt des Bundestags wieder neu verhandelt und massiv eingespart werden, weil man auch von Seiten der FDP nicht auf die Schuldenbremse verzichten wollte. In den geplanten Kürzungen war geplant, die Befreiung von der KfZ-Steuer sowie der Subventionen beim Agrardiesel für Landwirt*innen zu streichen.
Einer lebenswichtigen Branche mit zwei Wochen Vorlauf Mehrkosten von einer knappen Milliarde Euro aufzuerlegen, war falsch und hätte schrittweise und im Dialog erfolgen müssen. Eine große Chance, die GAP bei den Subventionen anzugehen, wurde vertan.
Als Reaktion auf die Proteste bleiben die Landwirt*innen weiterhin befreit von der KfZ-Steuer befreit und auf Diesel müssen sie erst in zwei Jahren so viel Steuern zahlen wie alle anderen auch.
Was stört mich an den Protesten?
Die Landwirtinnen müssen sich deutlich und entschlossen dagegen wehren, in ihrem Protest weiter von Rechten unterwandert zu werden. Dies geschieht leider in einigen Teilen nicht. Der gewaltsame Protest, wie wir ihn gegen Robert Habeck gesehen haben, macht mir Sorgen und Angst und hat mit dem hohen Gut der Meinungsfreiheit der Demokratie nichts mehr zu tun. Galgen aufstellen, Verschwörungstheorien verbreiten, Umstürze zu propagandieren, Politikerinnen privat aufzulauern, weil sie angeblich nicht „dialogbereit“ sind, macht unsere Demokratie kaputt. Wer ihren*seinen Willen durchsetzen möchte, sollte das mit Argumenten und im Dialog tun – so auf jeden Fall nicht.
Die Rückkehr zu einer sachlichen auf Fakten basierenden Debattenkultur würde unserer Demokratie und unserer tief gespaltenen Gesellschaft sehr gut tun. Leider haben die CDU, CSU und die FW in weiten Teilen ihres Spitzenpersonals hieran aktuell kein Interesse, da das kurzfristige Aufheizen der Gesellschaft mit Halbwahrheiten und aus dem Kontext gerissenen Darstellungen ihnen einen Stimmenaufschwung bringt.
Dabei vergessen sie den Schaden, den sie unserer Demokratie und unserer Gesellschaft damit langfristig zufügen und davon nur eine Partei profitiert. Im Sog dieses Politikstils der Konservativen Kräfte erstarkt die #noAFD immer weiter. Diese Entwicklung wieder einzufangen wird einen Kraftakt aller demokratischer Kräfte benötigen. Aktuell sehe ich nicht, dass die Union und die freien Wähler hierzu bereits sind. Ich hoffe, dass sie sich rechtzeitig wieder auf den demokratischen Weg begeben. Ansonsten heißt es leider weiter „Die Geister die ich rief…“